Heute wagen wir einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft der Psychiatrie. Im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Bock wollen wir verstehen, was Eigensinn mit Psychose zu tun hat, warum Stigma ein Problem ist und was es in der Psychiatrielandschaft noch zu tun gibt. Was „den Vater des Trialogs“ antreibt und auch nach 40 Jahren nicht müde werden lässt, erfahren Sie in diesem Interview.
Prof. Dr. Thomas Bock, der sich seit 9 Monaten offiziell im Ruhestand befindet, sitzt dem MBF-Teammitglied Darja Simon gegenüber. Er ist routiniert im Sprechen und Vortragen seiner Anliegen. Die persönlichen Fragen sind die Ungewohnten und das Beantworten dieser unterstreicht das Menschenbild, welches Krisen in Biografie und Zeitgeschehen einzuordnen versteht. Dieses Verständnis von Krisen ermöglicht eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen Profi und dem Experten aus Erfahrung, dem Patienten. Thomas Bock ist auf Mission. Zu lange bei sich zu verweilen, liegt ihm nicht, zu wichtig ist das, wofür er sich seit vielen Jahren einsetzt. Eine bedarfsorientierte, endstigmatisierende und echten Kontakt ermöglichende Behandlung ist das Ziel. Dem Menschen in einer psychotischen Krise die Handlungsfähigkeit nicht völlig abzusprechen und auch den möglichen Eigensinn sogar als Inspiration zu begreifen, zeichnet seine Sichtweise aus. Wir erfahren, warum Vereinfachungen und Zuschreibungen zu Stigmatisierung und zu der Behinderung eines echten Kontakts führen.
Sprache spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dabei stehen das Denken und die Sprache in einer Wechselwirkung zueinander. Sprache ist unser Hauptkommunikationskanal. Nicht immer gelingt eine Verständigung ohne Missverständnisse. Thomas Bock durfte dies kurz vor seiner Berentung im Rahmen eines Interviews mit der ZEIT selbst erfahren. Heute stellt er seine Intention dahinter klar. Es geht ihm um das Verstehen, um Menschen den Rücken zu stärken, seien es Kolleg*innen oder auch Patient*innen.
Link: Lecture2Go Universität Hamburg (Video mit höherer Auflösung)
Im WS 2020/21 wird das Schwerpunktthema „Nähe und Psychiatrie“ sein: Im Zusammenhang mit den Folgen der Coronakrise werden wir fragen, ob wir Nähe neu erfinden müssen, ob online mehr möglich ist als wir denken, was aus der Sexualität wird, wie es zu Verschwörungstheorien kommt und was dem entgegenzusetzen ist. Das endgültige Programm finden Sie auf der Seite der Universität und von Irre menschlich Hamburg. Ob es wieder die offene Diskussion im Hörsaal A des Uni-Hauptgebäudes oder eine Fortsetzung der Online-Dialoge geben wird, ist noch offen….
Diese Veranstaltungsreihe ist eine Kooperation der Universität Hamburg mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Irre menschlich Hamburg e.V. und psychenet.
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